Veranstaltung: | LMV GRÜNEN JUGEND SCHLESWIG-HOLSTEIN |
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Tagesordnungspunkt: | 2 Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 14.03.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.03.2021, 21:04 |
A5: Alltagserleichterungen für gehörlose, hochgradig schwerhörige und hörgeschädigte Menschen schaffen!
Antragstext
Die GRÜNE JUGEND SCHLESWIG-HOLSTEIN fordert die Landesregierung Schleswig-
Holstein und die Landtagsfraktion dazu auf das Leben von gehörlosen, hochgradig
schwerhörigen und hörgeschädigten Menschen in folgenden Schwerpunkten zu
erleichtern:
1. Gesellschaftliche und politische Teilhabe
Niemand darf aus Kostengründen benachteiligt werden. Für gehörlose Menschen, die
auf eine gesetzliche Betreuung angewiesen sind, werden die
Dolmetscher:innenkosten nicht übernommen. Auch gehörlose Menschen mit einer
gesetzlichen Betreuung haben aber ein Anrecht auf größtmögliche
Teilnahme/Teilhabe am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Da es
nicht ausreichend gebärdensprachkompetente gesetzliche Betreuer:innen gibt, ist
die überwiegende Anzahl von gehörlosen Betreuten mit nicht gebärdenden
Betreuer:innen konfrontiert.
Aus diesem Grund fordern wir:
- die bessere gesellschaftliche Akzeptanz der Gebärdensprache und der
besonderen Kommunikationsbedürfnisse gehörloser Menschen.
- die Kostenübernahme für Dolmetscher:innen für Deutsche Gebärdensprache und
Deutsch, insbesondere im privaten und ehrenamtlichen Bereich, nach dem
Eingliederungshilferecht über das Bundesteilhabegesetz, fianziert durch
das Land Schleswig-Holstein.
- eine Verbesserung der Zugänglichkeit zu tagespolitischen Informationen,
den Abbau von kommunikativen Barrieren und den Ausbau der Teilhabe am
gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben durch die
Bereitstellung von Dolmetscher:innen für Deutsche Gebärdensprache und
Deutsch.
- die Verpflichtung zur Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft statt der
Freiwilligkeit. Vor allem öffentliche Gebäude und Gebäude zur
Sicherstellung des persönlichen Bedarfs müssen vorrangig umgebaut werden.
- die Bevorzugung gebärdensprachkompetenter Betreuer:innen bei der
Bereitstellung eines gesetzlichen Betreuers für gehörlose Betreute.
- die Kostenübernahme für Dolmetschleistungen für gehörlose Betreute mit
nicht gebärdensprachkompetenten, hörenden gesetzlichen Betreuer:innen.
- die Kostenübernahme für Dolmetschleistungen für gehörlose gesetzliche
Betreuer:innen bei notwendigen Gesprächen mit Behörden, Ärzten u. a., für
die Gespräche mit ihren hörenden, nicht gebärdensprachkompetenten
Betreuten und für ihre notwendigen Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang
mit diesem Amt.
2. Barrierefreie Medien
Fernsehen und Internet spielen im Leben gehörloser Menschen eine große Rolle.
Diese audiovisuellen Medien bestehen aus zwei Komponenten: Ton und Bild.
Ersterer kann von gehörlosen Menschen nicht wahrgenommen werden. Da der
Fernseher für sie immer stumm bleibt, sind gehörlose Menschen darauf angewiesen,
gesendete Informationen mit den Augen aufzunehmen. Nur durch die Visualisierung
akustischer Informationen in Form von Untertiteln oder Gebärdensprache erhalten
gehörlose Menschen also einen barrierefreien Zugang zum Fernsehprogramm und
somit zu Informationen.
Aus diesem Grund fordern wir:
- die Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender
zum Ausbau der barrierefreien Medienangebote (Gebärdensprache, Untertitel,
Audiodeskription) in den Medienstaatsvertrag aufzunehmen, um die
Lebensrealität von gehörlosen Menschen abzubilden.
- die Erhöhung der finanziellen Ressourcen für den Auf- und Ausbau
barrierefreier Angebote nach einem Stufenplan (10 % Steigerung pro Jahr).
- 100 % Untertitelung alle öffentlich-rechtlichen und privaten
Fernsehsendungen im Fernsehen.
- die offene Untertitelung von Kinofilmen in Kinos anstatt einer Untertitel-
App oder -brille.
- die Werbesendungen und Wahlwerbungen in Gebärdensprache und mit
Untertiteln auszustrahlen.
- die Kindersendungen in Gebärdensprache zugänglich zu machen.
3. Barrierefreier Notruf
Artikel 11 der UN-Behindertenrechtskonvention verlangt, dass Deutschland den
Schutz und die Sicherheit von gehörlosen und hörbehinderten Menschen in
Gefahrensituationen, einschließlich bewaffneter Konflikte, humanitärer Notlagen
und Naturkatastrophen, gewährleistet. Im Notfall entscheiden zuweilen Minuten
über Leben und Tod: Je schneller Hilfe vor Ort ist, desto besser. Gehörlose
Menschen verlieren jedoch häufig wertvolle Zeit, weil Notrufe nicht problemlos
barrierefrei abgesetzt werden können. Bis heute gibt es keinen barrierefreien
Notruf mit einer bundesweit einheitlichen Nummer.
Aus diesem Grund fordern wir:
- die Sicherheit und den Schutz für gehörlose Menschen in einer Notruf- bzw.
Gefahrensituation zu gewährleisten bzw. staatlich zu garantieren.
- die Aufnahme von zwei kostenfreien Optionen für Notrufverbindungen
(Telefon-vermittlungsdienste mit Gebärdensprach- und
Schriftdolmetscher:innen und Not-ruf-App) in § 108 TKG sowie in die
Notrufverordnung.
- die Einrichtung der staatlichen Notruf-App „Salus“ und die Einführung
eines einheitlichen Notrufs für Menschen mit Hörbehinderungen (mit
Vorrangschaltung wie bei einem normalen, unter 110 oder 112 abgesetzten
Notruf)
- die Einrichtung von einheitlichen Notfall-Leitstellen, einschließlich
moderner Protokolle für Menschen mit Hörbehinderungen.
- die Verabschiedung einer Strategie für die Katastrophenabwehr und die
humanitäre Hilfe, die inklusiv und für Menschen mit Hörbehinderungen
zugänglich sein soll.
- Den Einsatz von Lichtklingeln, Vibrationsalarm in öffentlichen Gebäuden
als Standard.
4. Erleichterung der Mobilität von gehörlosen Menschen
Artikel 20 der UN-Behindertenrechtskonvention besagt, dass die persönliche
Mobilität für Menschen mit Behinderungen mit größtmöglicher Unabhängigkeit
sicherzustellen ist und unter anderem der Zugang zu hochwertigen
Mobilitätshilfen, Geräten, unterstützenden Technologien, menschlicher und
tierischer Hilfe sowie Mittelspersonen erleichtert werden soll.Die Umsetzung
sieht in der Realität allerdings anders aus. Zentrale Probleme bestehen
hinsichtlich der Kommunikation an Bahnhöfen und in Zügen. Wenn gehörlose und
taubblinde Menschen am Informationsschalter Reiseinformationen einholen möchten,
stoßen sie bisher noch auf viele Barrieren.
Aus diesem Grund fordern wir:
- die Zurverfügungstellung von Reiseinformationen in Gebärdensprache
und/oder Schriftsprache an Informationsschaltern im Rahmen des Zwei-Sinne-
Prinzips.
- die Bereitstellung von Beratungen der DB-Reisebüros in Deutscher
Gebärdensprache, unmittelbar durch die Mitarbeiter:innen oder durch einen
kostenfreien Telefondolmetscherdienst (Tess).
- die Serviceerweiterung bei unverschuldet verpassten Anschlüssen,
beispielsweise durch den kostenlosen Transport mit einem Ruftaxi, welches
mithilfe einer App bestellt werden kann.
- eine bessere Qualität und Geschwindigkeit des WLAN-Netzes an Bahnhöfen und
in Zügen, sowie kostenlosen Zugang zu diesem.
- die EU-Fahrgastrechteverordnung in die Deutsche Gebärdensprache zu
übersetzen, damit gehörlose Menschen die Informationen bei Bedarf direkt
beziehen können.
5. Finanzielle Ausgleichsmaßnahmen
Seit 1975 wurde der Behindertenpauschbetrag in Höhe von 1.420 Euro nicht mehr
erhöht. Um ihn den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen und
um die behinderungsbedingten Nachteile und Mehraufwendungen auszugleichen,
fordern wir:
- die Erhöhung und Anpassung des Behindertenpauschbetrags.
- die Schaffung eines bundeseinheitlichen gerechten einkommens- und
vermögensunabhängigen Teilhabe- bzw. Gehörlosengeldes zum Ausgleich der
behinderungsbedingten Nachteile und Mehraufwendungen gehörloser,
taubblinder und anderer Menschen mit Hörbehinderungen.
- Prüfung eines landesweiten Grundeinkommens für Menschen mit Behinderung.
Angepasst an den Grad der Behinderung, um Ausgleich zu schaffen.
6. Anerkennung der Gebärdensprache als Minderheitensprache
Mit der Anerkennung als sprachlichen Minderheit gehen viele Privilegien einher.
Zum Beispiel bestimmte finanzielle Förderungen und Maßnahmen zum Schutz und
Erhalt dieser Sprache. Gehörlose Menschen sind nicht behindert, sonder sprechen
eine Sprache der Minderheiten. Aus diesem Grund fordern wir:
- Die Anerkennung der Gebärdensprache als Minderheitensprache.
7 Schulische Inklusion von gehörlosen Menschen
Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich die
Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, lebenslanges und gemeinsames
Lernen für Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Dabei sollen Barrieren für
Schüler*innen mit Behinderung abgebaut und ihnen ein Höchstmaß an
gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht werden.
Deshalb fordern wir:
- Angestellte am Landesförderzentrum Hören sollen die Deutsche
Gebärdensprache beherrschen, andernfalls müssen sie sich nach der
Anstellung zeitnah verpflichtend darin fortbilden
- Zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten für Schüler*innen mit einer
Hörschädigung bereits in der frühkindlichen Bildung gewährleisten
- Die zeitnahe Bereitstellung von technischen Hilfsmitteln, um die
Beschulung von Schüler*innen mit einer Hörschädigung zu erleichtern, und
die Anpassung von räumlichen Gegebenheiten zur Optimierung der Raumakustik
- Die Förderung der Ausbildung von Hörgeschädigtenpädagog*innen in
Schleswig-Holstein.
Begründung
Erfolgt mündlich.