Veranstaltung: | LMV GRÜNEN JUGEND SCHLESWIG-HOLSTEIN |
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Tagesordnungspunkt: | 2 Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand GRÜNE JUGEND Schleswig-Holstein und Annabell Pescher (GJ Flensburg) (dort beschlossen am: 14.03.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.03.2021, 17:32 |
A3: Ausbeutung, Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung in Werkstätten beenden!
Antragstext
Die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN JUGEND Schleswig-Holstein möge
beschließen:
Die GRÜNE JUGEND Schleswig-Holstein setzt sich auf dem Landesparteitag von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Fassung einer Beschlusslage und dem Hinwirken auf
Umsetzung auf Landes- und Bundesebene für folgende Forderungen ein:
- Die Idealisierung von Behindertenwerkstätten muss beendet werden. Es ist
Aufgabe der Politik dementsprechend noch stärker auf die Träger der
Werkstätten einzuwirken.
- Die Bezeichnung „Werkstatt für behinderte Menschen“ verursacht einen
defizitären Blick auf die dort Beschäftigten und sollte daher
beispielsweise in „Werkstatt für Arbeits- und Berufsförderung“ umbenannt
werden. Dies würde auch eine Öffnung für alle Personengruppen ermöglichen,
die von Maßnahmen wie einer arbeitspädagogischen Assistenz oder
persönlichkeitsfördernder Arbeitsinhalten profitieren würden.
- Die Beschäftigten in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen verlieren
den rechtlichen Status von Rehabilitant*innen und nehmen stattdessen den
Arbeitnehmer*innenstatus an, wodurch der Mindestlohn und Arbeitsrechte
garantiert werden müssen.
- Die bestehende Werkstättenpraxis muss hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei
der Vermittlung von Menschen mit Behinderungen auf den ersten Arbeitsmarkt
geprüft werden, da die Vermittlungsquote insgesamt nur unter 0,2 Prozent
liegt. Dazu sollen an den Werkstätten Fachkräfte angestellt werden, die
den Übergang von Werkstattbeschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
unter anderem durch Betriebspraktika, Qualifizierungsmaßnahmen sowie eine
individuelle Vermittlung und arbeitsbegleitende Betreuung unterstützen.
- Arbeitgeber*innen müssen bei Einstellung von Menschen mit Behinderungen
weitere Informationen über angemessene Vorkehrungen sowie anfallende
Mehrkosten durch staatliche Unterstützung erhalten. Dafür müssen
Beratungsangebote ausgebaut werden. Die Ausgleichsabgabe für Betriebe, die
keine oder zu wenig Menschen mit einer Schwerbehinderung eingestellt
haben, soll außerdem deutlich erhöht werden, besonders für Betriebe über
60 Angestellte.
- Alternativen zu Werkstätten wie Integrationsbetriebe und
Integrationsunternehmen müssen weiter unterstützt und gefördert werden.
Dafür soll ein Inklusionspakt für die berufliche Bildung initiiert werden,
indem die vorhanden Konzepte inklusiv weiterentwickelt und
anschlussfähiger zusammengefasst werden, sodass sie nicht nur auf die
Beschäftigung von Menschen mit einer Behinderung beschränkt sind.
- Alle neuen Gebäude und Produkte (einschließlich IT-Ausrüstung und
Softwares) in Schleswig-Holstein sowie darüber hinaus sollten systematisch
nach der Logik des “universellen Designs” konzipiert werden. So können sie
von einem allen Menschen genutzt werden, unabhängig vom Grad Behinderung.
- Inklusionspolitik muss intersektional gedacht werden. Nicht jeder Mensch
mit Behinderung erfährt die gleiche Form von Diskriminierung. Dazu bedarf
es eines Angebots von gezielten Maßnahmen, um Sensibilisierung
demgegenüber zu schaffen und der Intersektionalität auch in den
Werkstätten gerecht zu werden.
Begründung
Der Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention sichert für Menschen mit Behinderungen das Recht auf Arbeit an einem offenen und integrativen Arbeitsmarkt. Die Realität für Menschen mit Behinderungen sieht in Deutschland leider ganz anders aus. Viele Menschen mit einer Behinderung sind in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt. Im Jahr 2018 waren dies über 300.000 Menschen. Der durchschnittliche Stundenlohn liegt trotz einer Fünf-Tage-Woche bei ca. 1,50 € pro Stunde. Und obwohl die Werkstätten auch das Ziel der beruflichen Qualifizierung haben, wechselt weniger als 1% der dort Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Da Werkstattbeschäftigte nur in einem arbeitnehmer*innenähnlichen Rechtsverhältnis arbeiten, gilt der Mindestlohn für sie nicht. Mit einem Stundenlohn von 1,50€ sind deshalb viele Arbeitnehmer*innen auf zusätzliche Sozialhilfe angewiesen. Um ein selbstständiges Leben ohne andere Zuwendungen zu ermöglichen, müssen sie endlich als Arbeitnehmer*innen anerkannt werden. Wir streben eine inklusive Gesellschaft als Ziel an, in der alle partizipieren können!